Prosa

Über den Dingen

Am See läuft ein Mann mit einer Frau vorbei. Die haben bestimmt ein Date, meint Conrad, und balanciert auf der Betonkante die den See an dieser Stelle einfasst.

Nicht unwahrscheinlich, sagt Maren leise und sieht den beiden hinterher. Spazieren gehen machen ja viele. Schön ruhig. Ja, sagt Conrad, aber nur, wenn nicht gerade auf jedem zweiten Stück Wiese einer mit einer von diesen Boomboxen sitzt und einem die Bässe links und rechts an den Ohren lang knallt. Und zur Not kann man schnell abhauen. Ein Anruf, leider dringend, und schon ist man weg, ab um die nächste Ecke.

Dates am See sind so gewöhnlich, grinst Maren und erinnert sich an etwas. Eine Freundin von mir hatte mal am Abend in der Dämmerung ein Date über der Autobahn.

Auf so einer Brücke, wo man als Fussgänger kaum drüber gehen kann, so lärmen die LKWs unten drunter durch?, fragt Conrad.

Nee. Also, LKWs fahren da schon unten drunter durch, der ganze Verkehr, Autos, Motorräder. Aber oben auf der Brücke ist es ganz leise, wie auf einer Schiffsbrücke steht man da.

Ganz hoch oben über allem drüber, und man kann sich wunderbar unterhalten. Kaffee gibt’s auch, und wenn man will einen Schokomuffin oder Pommes Frites. 

Das ist eine Raststätte, die haben sie quer über die Fahrbahn gebaut, und von beiden Seiten, Richtung Nord und Richtung  Süd, treffen die Leute im Lokal aufeinander wie Meeresströme und gehen im Keller zur Toilette. Die ist nämlich unten drunter, die Treppen runter. Zum Trinken und Essen und Reden rauf, in die Brücke. Zur Toilette runter, in den Bauch der Raststätte.

Und wenn man sich dann langweilen sollte beim Date, guckt man sich die ganzen Leute an, die rein und raus spazieren, und denkt sich aus, woher sie kommen und wohin sie gehen. Ob sie gerade im Aufbruch oder bei der Heimkehr sind. Ob sie gern fahren oder lieber wieder umdrehen würden. Und sollte man sich wirklich heftig vergriffen haben bei der eigenen Begleitung, hat man das Auto eh schon dabei und ist selber am schnellsten auf und davon.

Das ist einzigartig, so eine Raststätte hat es nicht überall. Und wenn man allein ist, kann man auch am anderen Ende rausgehen, weiss ja keiner, wo der zugehörige PKW abgestellt ist, und steht plötzlich auf dem Parkplatz der Gegenseite. So eine Gelegenheit hat man nicht oft. Den Gesichtern aus dem Gegenverkehr kommt man ja sonst nur auf Distanz bei hundert Sachen und mehr entgegengerast.

So eine Begegnung über den Dingen, die entschleunigt und eröffnet ganz neue Perspektiven.